Dekoloniale Stadtführung

Deutsche Kolonien außerhalb Afrikas

Bismarck- Archipel, Neuhannover, Scharnhorst… habt ihr von diesen Orten schon einmal gehört? Guess what: keiner dieser Orte befindet sich in Deutschland – im Gegenteil, sie sind sogar alle sehr, sehr weit weg.

Vielleicht habt ihr mitbekommen, dass im Koalitionsvertrag der GroKo von 2018 zum aller ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik die Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus erwähnt wird. Aber er bezieht sich hauptsächlich auf die afrikanischen Kolonien. Dabei gehörten aber noch weitere Gebiete zum deutschen Kolonialreich, und die schauen wir uns jetzt mal an:

kiautschou / 膠州, Pinyin Jiāozhōu

die chinesische region Kiautschou wurde 1898, also 14 Jahre nach der Kolonisierung der afrikanischen Gebiete teil des sogenannten deutschen Schutzgebiets. Der Kaiser brauchte dringend einen Marinestützpunkt in der ostasiatischen Großregion und wollte Kiautschou zur Vorschau-Kolonie machen, die den Menschen, vor Ort und auch hierzulande, zeigen sollte, wie wertvoll deutsche Kolonien für die heimische Wirtschaft sein konnten. Deshalb war vor allem die Bucht und der darin liegende Hafen von großer strategischer Bedeutung.

Die Eroberung Kiautschous verlief nicht, wie sonst üblich, mit Waffen, sondern wurde mithilfe eines Pachtvertrages vom Kaiserreich China gekauft. Gewaltfrei verlief das ganze deshalb aber noch lange nicht. Denn dieser Vertrag wurde China als einer von vielen, heute sogenannten “ungleichen Verträgen” von den Deutschen auferzwungen.

Von 190k Einwohner*innen waren knapp 4300 deutsche. außerdem wurde dort eine 100 Mann starke Schutztruppe stationiert.

Deutsch- Neuguinea:

1899 eignete sich das deutsche Reich gleich mehrere Inselgruppen im pazifischen Ozean an. “Deutsch-Neuguinea” umfasste zunächst

  • “Kaiser-Wilhelms-Land” auf Neuguinea, 
  • mehr als 200 Inseln im Bismarck- Archipel darunter:

Neuhannover

Neumecklenburg

Neupommern

sowie Palau, die Karolinen, die nördl. Marianen, die Salomon Inseln und die Marshallinseln.

“Deutsch- Neuguinea” ist ein Paradebeispiel dafür, dass der Kolonialismus in erster Linie wirtschaftlich motiviert war. Der Eroberungswunsch kam nämlich hier nicht von der Regierung, sondern von Unternehmern wie dem Hamburger Johann Godeffroy.

Der Inbesitznahme gingen jahrelange wirtschaftliche Vorbereitungen, sowie Streitigkeiten mit den anderen Kolonialmächten, v.a. England, voraus. z.Bsp. wurde 1880 in Hamburg extra die “deutsche Handels- und Plantagengesellschaft der Südseeinseln” ins Leben gerufen. 

Die sogenannten “Deutsche Südsee” war mit etwa 250 000 km2 die viertgrößte Kolonie, mit insgesamt 9 Missionsstationen und 16 Schulen.

Nach dem 1. Weltkrieg wurde das Neuguineanische Festland an Australien abgetreten. Seit 1975 existiert Papua-Neuguinea als unabhängiger Staat.

Die anderen Inselgruppen gingen zuerst an Japan, ehe auch sie ab den 80ern und 90ern nach und nach unabhängige Staaten und Republiken wurden.

Deutsch- Samoa:

Kurze Zeit später, im Jahr 1900, folgte “Deutsch-Samoa”. Vier Inseln im Westen des Landes fielen dem deutschen Kolonialismus zum Opfer. Das entspricht etwa einer Fläche von 2600 km2. von den damals 35000 Menschen waren etwa 300 Deutsche. Es wurde vor Ort keine spezielle Schutztruppe stationiert, aber 2 Missionen und 2 Schulen gab es dennoch.

Nach Kriegsende 1918 wurde Deutsch- Samoa zur britisch-neuseeländischen Kolonie, erlangte 1962 die Unabhängigkeit und heißt seit 1997 offiziell “unabhängiger Staat Samoa”.

Wie in allen Kolonien beruhte das deutsche Denken und Verhalten auf höchst rassistischen Ideologien. Die dort lebenden Menschen wurden mithilfe von überspitzten Karikaturen auf Postkarten und in der Presse, sowie durch beleidigende Bezeichnungen herabgewürdigt und vor Ort häufig gegeneinander ausgespielt, um den Kolonialisierungsprozess effizienter zu machen.

In den gesamten ozeanischen Kolonien wurde die Goldmark als Währung eingesetzt; im Staat Samoa zahlt man bis heute mit dem “Tala”. Die Deutschen brachten aber nicht nur ihre “Werte”, Güter und Visionen mit, sondern auch zahlreiche Krankheiten.

Ähnlich wie in Afrika teilte Europa also Inseln und Landteile unter sich auf, und wandte, wo als notwendig erachtet, auch Waffen und Gewalt an. Widerstand seitens der indigenen Bevölkerungen verlief meist weniger brutal, resultierte aber trotzdem in sogenannten Strafexpeditionen. Diese dienten der Einschüchterung, und zwar durch exzessive Gewalt, das Erteilen von Lektionen, und Statuieren eines Exempels von bspw. Personen, die nicht die „Regeln“ der Deutschen befolgten.

Natürlich wurde im Zuge der Strafexpeditionen viele Güter und Objekte gewaltvoll entwendet. Viele der geplünderten Schätze und Gegenstände, aber auch menschliche Gebeine, lagern bis heute in deutschen Museen.

Aber das alles ist natürlich nur ein grober Überblick. Die jeweiligen Geschichten der einzelnen Gebiete, Inseln und Menschen sind natürlich zum Teil sehr verstrickt und komplex. 

Übrigens: manche der ehemaligen deutschen Kolonien befinden sich bis heute in kolonialistischen Machtbeziehungen, z.Bsp.: sind die Marianen, Guam und der östliche Teil von Samoa (“amerikanisch-Samoa”) noch immer territoriale Gebiete der USA. 

Habt ihr das alles schon gewusst? Welche Fakten findet ihr vielleicht überraschend?